
Warum Genetik in der Psychiatrie?
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Ziele und Hintergründe
Effektivere Behandlungsmethoden zu entwickeln sowie den Patientinnen und Patienten eine individuell angepasste Therapie zu ermöglichen, gehört zu den primären Zielen der medizinisch-genetischen Forschung.
Um große Ziele zu erreichen, muss die Forschung manchmal bis zu den kleinsten Bausteinen von uns Menschen zurückgehen: Zu unserem Genom. Die durch unsere Gene abgebildeten Informationen stellen den Ausgangspunkt der psychiatrischen Genetik im Forschungsfeld der Schizophrenie dar. Aus umfangreichen Untersuchungen von Familien- und Zwillingen mit ein oder mehreren betroffenen Mitgliedern ist bereits seit langem bekannt, dass Schizophrenie gehäuft in Familien auftreten kann. Die Vererbbarkeit schätzte man anhand dieser Ergebnisse auf circa 50-80%. Seitdem hat unser Wissen über die genetischen Grundlagen psychischer Erkrankungen stetig zugenommen, welches nicht zuletzt auf den Einsatz neuer technologischer Verfahren ("Hochdurchsatzverfahren") und der Anwendung sogenannter genomweiter Assoziationsstudien zurückzuführen ist. Dieser Ansatz basiert auf dem Vergleich genetischer Informationen zweier unterschiedlichen Gruppen von Probandinnen und Probanden - Patientinnen bzw. Patienten mit diagnostizierter Schizophrenie und Kontrollprobandinnen bzw. Kontrollprobanden, bei der die Erkrankung nicht vorliegt.

Dadurch konnte in einer zusammenfassenden Auswertung (Meta-Analyse) gezeigt werden, dass über 100 unterschiedliche Regionen im Genom an der Entstehung der Schizophrenie beteiligt sind (Abbildung 1) und in einem bestimmten Muster zusammenwirken. Die daraus resultierenden Erkenntnisse, an deren Entdeckung unser Studienleiter Prof. Dr. med. Stephan Ripke, Ph.D. wesentlich mitwirkte, veränderten die Sicht auf die genetischen Grundlagen von Schizophrenie grundlegend. Schizophrenie - so weiß man heute - ist eine Erkrankung, die nicht nur auf seltenen, genetischen Varianten beruht, sondern zu einem großen Teil durch ein ganz bestimmtes Zusammenspiel häufig auftretender Varianten eines Gens entsteht. Solche Varianten eines Gens unterscheiden sich oft nur geringfügig, in vielen Fällen ist sogar nur eine einzelne Base der DNA-Sequenz (z.B. "A" statt "G") verändert. Man spricht in diesem Fall von einem Single Nucleotide Polymorphism (SNP, sprich "Snip"). Die in genomweiten Studien erkannten SNPs werden in nachfolgenden Studien genutzt, um deren Wirkung auf das Gehirn und die Erkrankung besser zu erforschen.
Ein solches Vorgehen ist nicht mehr nur eine medizinische Vision, sondern hat sich als tatsächlich umsetzbar erwiesen. Für genomweite Assoziationsstudien bedarf es jedoch sehr großer Stichproben, um Zufallsbefunde von signifikanten genetischen Unterschieden zu differenzieren. Das Stanley Center hat im Jahr 2015 eine weltweite genetische Untersuchung gestartet, um möglichst große Stichproben für verschiedene psychiatrische Erkrankungen (Depression, Bipolare Störung und Schizophrenie) zu gewinnen. Weltweit wird daher an vielen Standorten zusammengearbeitet, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen: Die biologischen Ursachen von diesen psychiatrischen Erkrankungen zu entschlüsseln, um somit effektivere und individuell angepasste Behandlungsansätze zu schaffen. Werden Sie Teil unserer Berliner Studie und unterstützen Sie die weltweite Genetikinitiative zur Erforschung von Schizophrenie.
(Zuletzt bearbeitet: 22.01.2020)